Fast 100 Jahre Arbeit im Stiftsbezirk

Montag, 22. Juli 2019

Giuseppe Ficarra war 34 Jahre Hauswart in der Buebe-flade (Klosterschulhaus) und in der Stiftsbibliothek, sein Bruder Nicolo und dessen Frau Lucia Ficarra arbeiteten 30 Jahre in der Meitle-flade (Gallusschulhaus) und im Stiftsbezirk. Die guten Seelen der beiden Schulhäuser gehen per Ende Juli in Pension. Leiser Abschiedsschmerz ist da, aber auch Vorfreude auf neue Freiheiten. Ficarras haben viel erlebt, es sind zumeist schöne Erinnerungen.

Ficarra Lucia Nicolo Giuseppe

Giuseppe Ficarra war Hauswart für die Stiftsbibliothek und das Klosterschulhaus in einem Team mit gesamt 250 Stellenprozenten. In den ersten 20 Jahren gehörte auch seine Frau Rosa dazu, die leider vor 18 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben ist. Geblieben sind ihm zwei erwachsene Söhne und fünf Enkelkinder. Aus seinen Erzählungen wird deutlich, dass ihm der Stiftsbezirk mit den Menschen, die hier arbeiten, sehr ans Herz gewachsen sind.

Der «Finken-Ficarra»
In guter Zusammenarbeit mit der Schulleitung und der Stiftsbibliothek reinigte und pflegte er die Liegenschaft in welcher sich das Klosterschulhaus und die Stiftsbibliothek befinden. Vier Schulleitungen hat er erlebt und drei Stiftsbibliothekare. «Viele hundert flade-Schüler erinnern sich an mich als Finken-Ficarra», erzählt der Hauswart schmunzelnd. Ab und zu, eigentlich selten, habe er schimpfen müssen, wenn die Jungs in der flade mit dreckigen Schuhen statt mit Finken in die Klassenzimmer gingen. Schmutz begleitete Giuseppe Ficarra in drei Jahrzehnten auch durch diverse Bauprojekte. Erst kürzlich wurde der Gewölbekeller der Stiftsbibliothek umgebaut. Das bedeutete viel Mehrarbeit, Dreck und ständige genaue Absprachen mit allen Beteiligten. Der künftige Pensionär war zudem wie sein Bruder Nicolo aktives Mitglied der Interventionsgruppe, die beispielsweise bei einem Brand die Evakuation organisiert und dafür sorgt, dass alle Schüler nach einem ausgeklügelten Konzept in Sicherheit gebracht und deren Präsenz am Sammelplatz überprüft wird. Ebenso wurden sie alarmiert bei einem Einbruchalarm in der Stiftsbibliothek, der Kathedrale oder im Bischofsflügel. «20 Jahre trug ich den Notfall-Pager Tag und Nacht bei mir», erzählt Giuseppe Ficarra. Oft sei er in der Nacht geweckt worden, zum Glück grösstenteils durch Fehlalarme.

Nett und konsequent
Alle drei Hauswarte übernahmen in «ihren» Schulhäusern eine bei den Schulkindern sehr beliebte Aufgabe: sie verkauften in den Morgenpausen «Znüni» und das, ohne dass durch drängeln Chaos ausbrach. Nicolo und Lucia Ficarra waren in den vergangenen 30 Jahren nur einen Steinwurf vom Bruder und Schwager Giuseppe entfernt im Gallusschulhaus für die Reinigung und Pflege der Liegenschaft tätig. Vorher arbeiteten sie vorwiegend im Stiftsbezirk, später vollamtlich in der «Meitle-flade». Nicolo Ficarra erinnert sich an die ersten Wochen. «Ich kam vom Bau und war noch ohne Erfahrung», erzählt er. Er sei sehr froh gewesen um die gute, geduldige Einführung. Schnell fiel im auf: Der Umgangston war deutlich weniger rauh als auf Baustellen. Ganz ohne Bauerei ging es aber auch in der «Meitle-flade» nicht, diverse Projekte brachten die gewohnten Abläufe jeweils gehörig durcheinander. «Einmal haben wir das ganze Schulhaus von Staub und Dreck befreit, eine Stunde später sah es aufgrund eines durch die Arbeiten entstandenen Loches in einer Decke wieder gleich aus», erinnern sich Ficarras. Heute können sie schmunzeln darüber, damals war es ein Frust. Wie Giuseppe loben auch Nicolo und Lucia Ficarra die Zusammenarbeit mit den Lehrerteams. Auch mit den Schülerinnen hatten sie kaum Probleme, Veränderungen wurden in den 30 Jahren jedoch deutlich. «Etwas weniger Respekt und etwas frechere Kleidung», fasst Nicolo Ficarra zusammen. Er und Lucia hatten stets ein gutes Rezept im Umgang mit den Teenagerinnen: «Möglichst nett sein, aber auch konsequent».

Sport und Reisen
Auch dem Ehepaar bleibt künftig mehr Zeit für die erwachsene Tochter und die erweiterte Familie, den zwei von drei Schwestern der Ficarras leben in der Region. Als Gastarbeiter sind sie alle um 1980 aus Sizilien, respektive aus Lucca, eingereist. Eine Rückkehr nach Italien ist nicht geplant, die Schweiz ist längst Heimat geworden. Nicolo und Lucia Ficarra pflegen einen Schrebergarten. Ficarras sind zudem sportbegeistert: Wandern, Rennvelo fahren, Fitness, Zumba und jeweils am Freitag Salsa-Tanz. Sport hat für Nicolo zudem den positiven Effekt, dass sich seine Rückenprobleme, die ihn in den vergangenen Jahren plagten, stark verbessert haben. «Das war mein Grund, etwas früher in Pension zu gehen», erzählt er. Die Umgebung und die Menschen im Stiftsbezirk werden alle drei vermissen. «Ich gehe nicht so gern, auch wenn ich die neue Freiheit geniessen werde», sagt Lucia Ficarra. Zu seinen Plänen für die Zeit des Ruhestandes meint Giuseppe: «reisen, reisen, reisen, und die Familie». Zudem steht in Sizilien ein eigenes Haus, in dem die Familienangehörigen sicher mehr Zeit als bisher verbringen werden. Ganz verloren gehen sie dem Stiftsbezirk nicht, alle drei leben in St.Gallen und werden ab und zu zur «Kafipause» ins Kloster Bistro kommen. Giuseppe ergänzt sogar: «Ich werde ab und zu aushelfen in den Ferien, darauf freue ich mich schon jetzt».

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