Stiftsbibliothek rückt die Esskultur des Mittelalters in den Fokus

Montag, 22. April 2024

Wenn am 23. April die diesjährige Sommerausstellung der Stiftsbibliothek St.Gallen startet, stehen Lebensmittel wie Brei und Brot, Fleisch und Fisch, Gemüse, Gewürze und Pilze im Fokus. Zahlreiche Quellen erzählen von der Esskultur des Mittelalters. Selbst ein Blick auf die St.Galler Bratwurst, deren Anfänge ins Spätmittelalter zurückgehen, fehlt nicht. Zur Ausstellung unter dem Titel «Gesegnete Speisen» erscheint ein reich bebilderter Katalog.  Sie dauert bis 10. November.

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Das Umschlagbild des Ausstellungskatalogs zeigt die Abendmahlsfeier Christi mit den Aposteln. Detail aus einer Miniatur des Lindauer Buchmalers Caspar Härtli in einem grossformatigen Graduale aus dem Kloster St.Gallen, 1562.

Im Zentrum der neuen Sommerausstellung in der Stiftsbibliothek St.Gallen stehen die vom St.Galler Mönch Ekkehart IV. († nach 1057) verfassen Tischsegnungen. «Damit ist in St.Gallen eine der ältesten und zugleich farbigsten Quellen für die Esskultur der Schweiz erhalten geblieben», sagt Stiftsbibliothekar Cornel Dora. Die 280 Verse ermöglichten einen vielfältigen Blick in die Ernährungskultur des 11. Jahrhunderts. Ausgehend von diesem Text weitet sich der Blick mittels Zeugnissen zum Essen und Trinken aus der Handschriftensammlung der Stiftsbibliothek.

Grundsätzlich ist festzuhalten: Die Ernährung im Mittelalter stand in anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexten als heute. Demnach musste Nahrung unter anderen Bedingungen produziert, beschafft und zubereitet werden. Sie war oft nicht in genügender Menge verfügbar, häufig verdorben und deshalb gefährlich. Und der Speisezettel war wesentlich eintöniger als heute. Die Mahlzeiten beschränkten sich oft auf Mus oder Brei.

Andere Zeiten und Sitten

Und so lebte auch der erwähnte Ekkehart damals mit anderen Voraussetzungen, wie Dominik Flammer, Co-Kurator der Ausstellung, festhält: «Kartoffeln, Mais und auch Tomaten, die wir heute schätzen, waren unbekannt, Kartoffeln und Tomaten stammen aus Südamerika und Mais aus Mexiko. Erst ab dem 16. Jahrhundert kamen sie auch in Europa auf den Tisch.»

Gemüsesorten wie Fenchel und Sellerie wurden nur als würzendes Kraut verwendet. Auch die Tischsitten waren anders: «Im Mittelalter wurde feste Nahrung mit der Hand gegessen, Trinkbecher und Messer wurden geteilt, Geschirr war selten», sagt Cornel Dora. Das zeigen Bilder in Handschriften, etwa des letzten Abendmahls.

Ein Feuerwerk an Speisen

Ekkeharts Tischsegnungen sind ein Feuerwerk an verschiedensten Speisen, vom Brot über Fische, Fleisch, Gemüse und Früchte bis hin zu verschiedensten Getränken, alles sehr vielfältig und mit realen Bezügen. Und die Reime innerhalb der Verse bringen einen leichten Humor, etwa wenn es heisst: «Die gesegnete Forelle, sei gegessen auf der Stelle,» oder «Die Birn’, den Äpfeln beigegeben, soll nicht meinen Bauch erregen.»

Das mittelalterliche Leben war auch spirituell geprägt, was sich in weit reichenden Fastenbestimmungen äusserte. Pro Jahr gab es rund 140 Fasttage, an denen oft nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Eier und Milch verzichtet wurde. «Auch hierzu hat Ekkehart Verse zum Schmunzeln verfasst», sagt Dora. «So wurde der Biber als Fisch betrachtet und war deshalb als Fastenspeise erlaubt.»

Auch die Bratwurst kommt vor

Und wie es in St.Gallen anders nicht sein könnte, fehlt in der Ausstellung über das Essen auch die Bratwurst nicht. Während das älteste, aus dem Jahr 1438 stammende Bratwurstrezept im Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen überliefert ist, findet sich in einer Handschrift der Stiftsbibliothek der Hinweis dafür, dass die Bratwurst früher auch kritisch und als «ungesund» angesehen wurde.

Katalog mit Einbettung in den grösseren Kontext

Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog. Er enthält neben Texten zu den Ausstellungsobjekten eine Einleitung und einige Kurztexte des bekannten Schweizer Ernährungshistorikers Dominik Flammer, der die St.Galler Quellen in den grösseren Kontext der Ernährungsgeschichte einbettet. Die Zürcher Grafikerin Cornelia Gann hat zudem aus historischen Bildern zum Thema Ernährung Grafiken geschaffen, die die Texte anschaulich machen.

Text und Foto: rf


Täglich geöffnet
Die Ausstellung «Gesegnete Speisen – Vom Essen und Trinken im Mittelalter» dauert vom 23. April bis 10. November 2024. Die Ausstellung ist täglich geöffnet.
Weitere Infos direkt über die Website der Stiftsbibliothek www.stiftsbibliothek.ch

 

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