Raphael Kühne, Präsident des Administrationsrats, nimmt Stellung zur Mumie

Mittwoch, 23. November 2022

Im Rahmen der Session des Katholischen Kollegiums vom Dienstag, 22. November, hat sich der Präsident des Administrationsrats, Raphael Kühne, zur Diskussion um die Mumie Schepenese geäussert. Dabei stellte er klar, dass viele gestreute Informationen irreführend und ungenau waren. Seine Stellungnahme im Wortlaut.

Der Administrationsrat sieht gemäss Präsident Raphael Kühne keinen Anlass, etwas am Status von Schepenese zu ändern. Bild: Regina Kühne

Nachfolgend die Stellungnahme von Raphael Kühne im Wortlaut:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Umstände der Grabentnahme der von rund 2600 Jahren verstorbenen Frau nicht geklärt sind. Deshalb ist es unsachlich, wenn einfach von Grabraub die Rede ist, der nun durch eine Rückführung nach Ägypten quasi wieder in Ordnung gebracht werden soll. Es ist genauso möglich, dass die Mumie vor rund 200 Jahren gerettet wurde – nämlich vor einer Brandschatzung durch Truppen oder vor einer gewöhnlichen Nutzung als Brennmaterial durch die Bevölkerung. Bis 1835 waren ägyptische Altertümer nicht gesetzlich geschützt. Der Handel und die Ausfuhr von Mumien aus Ägypten war sogar bis 1983 legal.

Die Mumie von Schepenese wurde im Jahre 1820 von Karl Müller-Friedberg, dem ersten Landammann des Kantons St.Gallen, von einem deutschen Antiquitätenhändler erworben und noch im gleichen Jahr der Stiftsbibliothek zur Aufbewahrung übergeben. Im Jahre 1836 kaufte der damalige Administrationsrat die Mumie für 440 Gulden, was heute einer Summe in der Grössenordnung von 100’000 Franken entspricht.

Seither – also seit über 200 Jahren – liegt die Mumie Shepenese in der Stiftsbibliothek, wo sie würde- und respektvoll behandelt wird. Sie wird keineswegs nackt zur Schau gestellt – wie da und dort behauptet wurde –, sondern sie ist von Kopf bis zur Schulter sichtbar, der Rest ist eingewickelt und zudem mit einem Tuch über der Vitrine abgedeckt. Gemäss gängiger Museumsethik ist es statthaft, Mumien auszustellen, solange das auch in Ägypten der Fall ist.

Schepenese erfährt zudem jeden Abend ein kleines Abschiedsritual durch die Angestellten der Stiftsbibliothek, indem ihr Name ausgesprochen wird. Nach altägyptischer Tradition lebt man ewig, wenn man nicht vergessen geht. So gesehen erfährt unsere Mumie eine ihrer Kultur entsprechende Behandlung; und dies im wohl schönsten Mausoleum, das man sich vorstellen kann – dem Barocksaal der Stiftsbibliothek. Über seinem Eingang steht die berühmte Inschrift «Heilstätte der Seele», die auf den ägyptischen Pharao Ramses II. zurückgeht.

Die Forderung, die Mumie sei nun nach Ägypten zurückzuführen, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Das einschlägige Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer aus dem Jahr 2003 regelt die dafür nötigen Prozesse.

Bedeutende Ägyptologen sehen keinen Sinn in einer Rückgabe und diese wird vom ägyptischen Staat auch nicht verlangt. Dies ist wohl damit zu erklären, dass Ägypten bereits sehr viele Mumien hat, auch von Pharaonen, die auch bedeutender sind als Shepenese. Für Ägypten sind nicht solche Mumien prioritär, sonden Spitzenstücke wie der Stein von Rosetta im British Museum, der Tierkreis von Dendera im Louvre, die Büste von Nofretete im ägyptischen Museum in Berlin und die Obeliske in zahlreichen europäischen Städten.

Aus heutiger Sicht sieht der Administrationsrat deshalb keinen Anlass, etwas am Status von Shepenese zu ändern. Daran vermag auch das jüngst inszenierte Theaterspektakel nichts zu ändern. Einer seriösen, wissenschaftlich und differenziert geführten Bearbeitung des Themas verschliesst sich der Administrationsrat jedoch nicht. Mit dem ab 2023 in Kraft tretenden Kulturgüterdekret und der von Ihnen heute mit dem Budget genehmigten Fachstelle bei der Stiftsbibliothek haben wir auch eine gute Grundlage.

Raphael Kühne, Präsident des Administrationsrats

 

 

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