Mitgefühl und Unterstützung: Die bewegenden Geschichten hinter «Mütter in Not»

Dienstag, 5. Dezember 2023

Für viele Mütter in Not ist die gleichnamige Beratungsstelle der katholischen Kirche die rettende Lösung. Exakt solche Stellen sind aber nur finanzierbar dank Steuermitteln. Der Katholische Konfessionsteil investiert jedes Jahr 220'000 in die Beratungsstelle. Für Stellenleiterin Gabriela Horvath-Zanettin ist ihre Aufgabe eine Herzensangelegenheit, auch wenn sie schon die Polizei aufbieten musste.

Mütter In Not 1

Als Gabriela Horvath-Zanettin neun Jahre alt war und in einer Predigt hörte, wie eine Frau bei der Beratungsstelle «Mütter in Not» Hilfe fand, hätte sie nie gedacht, dass ihr eigener Weg sie Jahre später selbst hierherführt. «Es ist ein Geschenk, an so vielen Lebensgeschichten teilzuhaben, Frauen ein Stück weit zu begleiten und zu erleben, wie sie anschliessend selbstständiger und gestärkt ihren Weg weitergehen», sagt die ausgebildete Beraterin im psychosozialen Bereich. Seit fünf Jahren arbeitet Gabriela Horvath-Zanettin bei «Mütter in Not», seit 3,5 Jahren hat sie die Stellenleitung inne.

95 Frauen nutzten im Jahr 2022 das Angebot der psychosozialen Beratung, 444 Beratungsstunden wurden abgehalten. 111 Frauen wurden finanziell unterstützt, 87 Frauen profitierten von laufenden Projekten wie der Kostenübernahme bei einer Aus- oder Weiterbildung, Ferien mit der Familie oder Kursen im Bereich Bildung und Gesundheitsförderung. Der Grossteil der Betriebskosten von «Mütter in Not» wird mit 220’000 Franken durch den katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen gedeckt. Die katholische Kirche der Stadt St.Gallen steuert weitere 50’000 Franken bei. Spendengelder werden vollumfänglich für die finanzielle Hilfe der Frauen eingesetzt.

Fragen so vielfältig wie ein Frauenleben

«Dank den Geldern der katholischen Kirche können die Frauen unser Angebot kostenlos nutzen», sagt Gabriela Horvath-Zanettin. Und das Angebot hat vielen Frauen schon in mancher Notsituation geholfen. Während nach der Gründungsphase 1979 – zwei Jahre nach der vom Schweizer Volk abgelehnten Fristenlösungsinitiative – vor allem Frauen, die ungewollt schwanger wurden, die Beratungsstelle aufsuchten, sind die Themen heute vielfältiger. Oder wie es Gabriela Horvath-Zanettin formuliert: «In der psychosozialen Beratung kommen Frauen zu uns mit Fragestellungen so vielseitig wie ein Frauenleben ist.» Konkret geht es von ersten Beziehungen über Schwangerschaft, Kindererziehung, Trennungssituationen bis hin zum Spagat zwischen Beruf und Familie oder Fragen nach dem Lebenssinn.

Die Rückmeldungen zeigen gemäss Gabriela Horvath-Zanettin immer wieder, wie wertvoll das Angebot ist. Nicht immer kann aber eine Lösung gefunden werden – vor allem dann, wenn die Frau oder jemand aus ihrer Familie mit der Diagnose einer unheilbaren Krankheit konfrontiert ist. In solchen Fällen ist nur ein Mittragen möglich. Bei aller Schwere legt Gabriela Horvath-Zanettin aber Wert darauf, in einer Beratungsstunde mindestens einmal mit der Klientin zu lachen. Je nach Problemstellung wird auch versucht, den Partner oder Mann mit ins Boot zu holen. In seltenen Fällen gelingt dies nicht und es kann sogar sein, dass ein Mann ungehalten wird, wenn er merkt, dass seine Frau gestärkt durch die Beratungen autonomer handelt. «Dreimal musste ich in den vergangenen fünf Jahren die Polizei einschalten», so Gabriela Horvath-Zanettin. Die Beraterin will sich denn auch bewusst nicht mit Foto zeigen.

Von Lebensgeschichten berühren lassen

Während die Beratungsangebote vor allem von Schweizer Frauen genutzt werden, sind bei der finanziellen Unterstützung die Mehrheit ausländische Frauen, sogenannte Working Poor. Eine Zahnarztrechnung oder ein Schullager kann sie schnell überfordern. Insgesamt wurden im Jahr 2022 165’000 Franken (alles Spendengelder) an solche Frauen ausbezahlt.

Was die Konfession betrifft, so ist rund die Hälfte der bei der Beratungsstelle anklopfenden Frauen katholisch, die andere Hälfte konfessionslos oder einer anderen Religion zugehörig. «Einige müssen auch erst einmal schlucken, wenn sie hören, dass unsere Beratungsstelle von der katholischen Kirche getragen ist», sagt Gabriela Horvath-Zanettin. «Doch genauso verstehen wir katholisch – für alle Menschen da zu sein.»

Die Stellenleiterin bezeichnet ihre Aufgabe als «Herzensangelegenheit». Immer wieder kann sie sich von neuen Lebensgeschichten berühren lassen. Dabei ist ihr ein Grundsatz wichtig: «Mitfühlen ja, mitleiden nein». Es würde niemandem helfen, wenn sie selbst in Trauer oder Verzweiflung verfalle. «Doch die Frauen müssen merken, dass hier jemand ist, der ihre Geschichte ernst nimmt und sie mit viel Empathie begleitet.» Und so tun Mütter in Not und die katholische Kirche auch weiterhin, was bei anderen Diskussionen in diesem Jahr oft vergessen ging: Dienst am Mitmenschen. Frohe Weihnachtstage.

Text und Bilder: Roger Fuchs


Weitere Infos
Zum Online-Auftritt der Beratungsstelle «Mütter in Not» gelangt man über die Website des katholischen Frauenbundes St.Gallen-Appenzell: www.frauenbundsga.ch

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