Urnenabstimmung vs. Handmehr: Kirche sein ruft nach Zweiterem
Freitag, 7. Februar 2025Urnenabstimmungen während der Coronajahre hatten in den Kirchgemeinden eine höhere Stimmbeteiligung zur Folge als das offene Handmehr bei Bürgerversammlungen. Eine Änderung des Abstimmungswesens wäre gemäss der für die Kirchgemeinden zuständigen Administrationsrätin Cornelia Brändli-Bommer dennoch falsch. «Die Kirche lebt von Menschen und dem direkten Austausch», bringt sie es auf den Punkt. Die Gründe für die höhere Stimmbeteiligung während der Coronapandemie seien vielfältig.

«Während der Coronajahre waren viele Menschen stärker mit gesellschaftlichen und politischen Themen konfrontiert, da die Pandemie direkte Auswirkungen auf ihren Alltag hatte.» Dies sagt die für das Ressort Kirchgemeinden zuständige Administrationsrätin Cornelia Brändli-Bommer im Wissen um das Stimmverhalten der Bürgerinnen und Bürger. Während der Coronajahre lag die Beteiligung bei Urnenabstimmungen bei 15 bis 25 Prozent, der Durchschnitt beim offenen Handmehr an den Kirchgemeindeversammlungen liegt bei rund vier Prozent.
Cornelia Brändli-Bommer ist überzeugt, dass Bürgerversammlungen bei der Kirche dennoch der richtige Weg sind. «Kirche lebt von Menschen», sagt sie. Der direkte Austausch, das Miteinander und die persönliche Begegnung sind zentrale Element des kirchlichen Lebens.» Darüber hinaus sollen der Mensch und seine Bedürfnisse nicht nur wahrgenommen, sondern auch in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch unterstreicht sie das Gemeindegesetz, wonach Gemeindeordnung, Jahresrechnung, Voranschlag sowie Steuerfuss der Bürgerversammlung vorgelegt werden müssen. Nur bei aussergewöhnlichen Verhältnissen, die eine Bürgerversammlung unmöglich machen, könne der Rat eine Urnenabstimmung über unaufschiebbare Geschäfte anordnen.
Religiosität gewinnt in Krisenzeiten
Dennoch macht sich die Administrationsrätin natürlich auch Gedanken darüber, was denn die Gründe für die höhere Stimmbeteiligung während der Coronjahre gewesen sein könnten. Nebst der einleitenden Aussage zieht sie in Betracht, dass das Abstimmen an der Urne eine niedrigere Hürde dargestellt hat. Und die Menschen hätten durch Homeoffice, weniger Freizeitaktivitäten und die sozialen Einschränkungen mehr Zeit gehabt, sich mit Abstimmungen zu beschäftigen.
Nicht zu verkennen ist gemäss Cornelia Brändli-Bommer, dass die Pandemie durchaus dazu geführt hat, dass Menschen sich vermehrt mit grundlegenden Fragen des Lebens, mit Gemeinschaft und Sinnsuche auseinandergesetzt haben. «In solchen Krisenzeiten gewinnt die Religiosität oder ein stärkeres Bedürfnis nach spiritueller Orientierung bei manchen Menschen an Bedeutung, was auch deren Engagement für gesellschaftliche Belange verstärkt haben könnte», so die Administrationsrätin.
Gelegenheit zur Mitgestaltung geben
Nun: Ein Geheimrezept, wie auch bei Bürgerversammlungen der Kirchgemeinden eine höhere Stimmbeteiligung erreicht werden könnte, gibt es kaum. Das Bestmögliche dafür tun lässt sich gemäss Cornelia Brändli-Bommer beispielsweise mit einer frühzeitigen Kommunikation über verschiedene Kanäle, einer respektvollen und konstruktiven Atmosphäre, allenfalls gezielten Programmen für verschieden Zielgruppen oder die Einbettung in ein attraktives Rahmenprogramm. «Das Beste, das passieren kann, ist, wenn Bürgerversammlungen als Gelegenheit zur Mitgestaltung und Stärkung der Gemeinschaft wahrgenommen werden.»
Text: Roger Fuchs