Sepp Huser verabschiedet sich mit einer Umarmung von «seinem Christbaum»
Freitag, 31. Oktober 2025Die Ankunft des Christbaums auf dem Klosterplatz St.Gallen verfolgen jedes Jahr Tausende Schaulustige. Dieses Jahr kommt der Baum aus Stein (AR). Pensionär Sepp Huser spendet ihn. Er ist selbst Katholik, hat aber manchmal seine Zweifel mit dem Glauben. Bevor er jeweils einen Baum fällt, verabschiedet er sich von diesem. Wie am 30. Oktober bekannt wurde, bleibt ihm für eine letzte Umarmung noch etwas mehr Zeit als gedacht. Wegen eines Technikdefekts an einer Maschine der Helikopterfirma kommt der Baum frühestens am 10. November.
Die Ketten für den Transport hängen bereits. Mit einer Umarmung wird Sepp Huser seine Tanne – den diesjährigen Christbaum auf dem Klosterplatz – in Stein (AR) verabschieden. Bild: Roger Fuchs
Zuerst führt die Fahrt im Auto von Sepp Huser durch ein kleines Waldstück, dann geht es zu Fuss einen Hang hinauf. Es regnet. Auf einmal bleibt der Pensionär stehen, zeigt nach rechts und sagt: «Das ist der Baum, es ist eine Weisstanne.»
Bereits hängen schwere Ketten am Holzgewächs, alles ist für den Flug auf den Klosterplatz St.Gallen vorbereitet. Aus der rund 50-jährigen Weisstanne wird dann St.Gallens diesjähriger Christbaum. «Ich kann mich gut vom Baum trennen. Er hat für mich keinen weiteren Nutzen», so Huser. Die Rehe hingegen, die jeweils unter ihm ihren Schlafplatz hatten, werden sich anderweitig hinlegen müssen.
Rund 16 Meter hoch und 2,7 Tonnen schwer ist der diesjährige Christbaum. Der in Bazenheid wohnhafte Sepp Huser besitzt in Stein schon lange ein Stück Wald. Zu diesem Wald kam der einstige Schreiner mit Zusatzausbildung in Erlebnispädagogik in jener Zeit, als er in Stein arbeitete und dort mit zwei Freunden ein Jugendheim gründete. Mittlerweile ist die später daraus entstandene Jugendinstitution in Heiden beheimatet.
Tausenden eine Freude bereiten
Sepp Huser bedeutet es viel, den St.Galler Weihnachtsbaum 2025 zu spenden. «Dass ich damit Tausenden von Menschen eine Freude bereiten kann, macht mich selbst auch glücklich», sagt er. «Wie bei jedem Baum werde ich mich auch bei diesem mit einer Umarmung verabschieden.»
Husers Enkel freuen sich schon heute, den Christbaum von Opa auf dem Klosterplatz zu bestaunen. Das Weihnachtsfest macht den Pensionär und Katholiken jedoch auch immer wieder nachdenklich: «Ich hinterfrage an diesen Tagen oft vieles, auch der Kaufwahnsinn der Leute macht mich traurig.» Mit dem kirchlichen Glauben habe er manchmal ebenfalls seine Krämpfe, wie er weitererzählt. «Wenn es einen Gott gibt, warum lässt er so viel Leid zu, warum müssen so viele Kinder mit Hunger einschlafen?», fragt er sich in seinen Gedanken.
Am liebsten die Tanne selbst fällen
Zwei Tage nach der Ankündigung des Christbaums gibt der Kanton bekannt, dass der Flugtermin verschoben werden muss und der Christbaum frühestens am 10. November nach St.Gallen geflogen wird. Grund dafür seien technische Probleme an einer Maschine der Helikopterfirma. So bleibt Sepp Huser seine Tanne noch etwas länger erhalten als gedacht. « Am liebsten würde ich, wenn es so weit ist, den Baum selbst fällen, aber ich weiss nicht, ob die für den Transport Verantwortlichen mich dies tun lassen.» Umarmen wird er ihn dann aber auf jeden Fall noch einmal.
Text und Bilder: Roger Fuchs