Katholiken kritisieren Weichenstellungen der St.Galler Kantonsregierung
Mittwoch, 19. Juni 2024Für die Katholische Kirche des Kantons St.Gallen steht fest: Mit der angelaufenen Totalrevision des Volksschulgesetzes und der regierungsrätlichen Absicht, die Kantonssekundarschule flade in eine Privatschule umzuwandeln, greift der Kanton in die DNA der Kantonalkirche ein. Erstmals wird der öffentlich-rechtliche Status einer Kirche in Frage gestellt. Das will man so nicht hinnehmen, wie sich am Dienstag im Katholischen Kollegium zeigte. Zu reden gab auch die in ein Postulat umgewandelte Motion «Wir schauen hin».

Administrationsratspräsident Armin Bossart war an der Session gleich mehrfach gefordert. Bild: Roger Fuchs
In Volksschulgesetz des Kantons St.Gallen ist geregelt, dass der Katholische Konfessionsteil des Kantons St.Gallen als öffentlich-rechtliche Körperschaft eine Sekundar- und Realschule führen kann. Der Konfessionsteil tut dies mit der flade. Dass nun im Rahmen der Totalrevision des Volksschulgesetztes an diesem Artikel gerüttelt wird und von einem Sonderstatus die Rede ist, kommt bei der Katholischen Kirche schlecht an, wie sich an der Session des Katholischen Kollegiums zeigte.
Gemäss Administrationsratspräsident Armin Bossart greift die Kantonsregierung hier eine wichtige Lebensader des Konfessionsteils, aber auch der Gesellschaft an. «Was soll der Kirche als nächstes entzogen werden?», fragte Bossart gegenüber dem Plenum. Auch beim Religionsunterricht sei seitens der Regierung von einem Sonderstatus die Rede. Armin Bossart: «Die aktuelle Debatte könnte eine Entfremdung von Kirche und Staat ins Rollen bringen. Diese Erosion des bewährten und auf gegenseitigem Respekt gegründeten Zusammenlebens kann nicht gewollt sein.» Von streng laizistischen Gesellschaften wisse man, dass das Ausblenden von Religion als gesellschaftliches Thema und die Verdrängung der Religion ins rein Private fatale Folgen habe. Armin Bossart motivierte, den politischen Prozess zu verfolgen, sodass man zu gegebenem Zeitpunkt auf die Kollegiumsmitglieder zählen könne.
Aufgegriffen hat diesen Punkt auch Kollegiumspräsident Peter Burkhard in seiner Eröffnungsansprache. Er zeigte kein Verständnis dafür, dass wir in unserer Kultur die eigenen Werte ohne jegliche Not aufgeben könnten. Die christlichen Werte seien die Basis für ein friedliches Zusammenleben. Würde man diese Werte verkaufen, läuft man gemäss Burkhard Gefahr, von Menschen gelenkt zu werden, die Macht über andere ausüben wollen.
Umwandlung in Postulat zähneknirschend akzeptiert
Von ebenso grosser Aktualität war die in ein Postulat umgewandelte Motion, eingereicht von Stefan Meier aus Rorschach und 98 Mitunterzeichnenden. Die Motion hätte eine Änderung des Personaldekrets und Personalreglements verlangt, damit Meldungen betreffend sexueller Übergriffe auch an die zuständigen staatskirchenrechtlichen Organe weitergeleitet werden.
Administrationsratspräsident Armin Bossart hielt dazu fest, dass das strukturelle Problem alleine mit einer Änderung der personalrechtlichen Grundlagen auf staatskirchenrechtlicher Seite nicht gelöst sei. Überdies wies er auf die eingesetzte dual-paritätische Kommission hin, die seit November 2023 wirkt. Angestrebt werde eine gemeinsame Trägerschaft von Konfessionsteil und Bistum St.Gallen bei allen Gremien, die in die Umsetzung des Schutzkonzepts involviert seien.
Zähneknirschend stimmte Stefan Meier der Umwandlung in ein Postulat zu, möchte aber den Druck auf Bistumsleitung und Administrationsrat hochhalten. Bis zur nächsten Novembersession wolle man klare und umsetzbare Massnahmen vorliegen habe, ansonsten würde eine neue Motion gestartet, so Meier. Sein Misstrauensvotum griff Administrationsratspräsident Armin Bossart auf und konterte, dass er sehr wohl grosse Bereitschaft beim Bistum spüre, Hand für klare Strukturen, Meldewege und Kompetenzen zu bieten.
Verpflichtungskredite und weitere Geschäfte
Jahresrechnung und Jahresbericht konnten im Rahmen der Kollegiumssession zügig abgehandelt werden. Ein Votum gab es noch im Kontext des Wirkungsberichts über die Arbeitsstellen für kirchliche Jugendarbeit (akj). Kollegienrätin Margrit Hunold, Region Werdenberg/Sarganserland, hätte gerne konkrete Zahlen vorliegen gehabt und nicht nur einen Bericht in qualitativer Hinsicht. Für den Administrationsrat hingegen lässt sich die Wirkung der akj’s und der Jugendarbeit generell nicht errechnen. Vielmehr gehe es hier um eine politische Abwägung, so Armin Bossart namens der Exekutive.
Der Verpflichtungskredit von 760’000 Franken für eine neue Lüftung und Beleuchtung im Barocksaal der Stiftsbibliothek passierte zügig. Gutgeheissen wurde ebenso der Kredit von 1,3 Millionen Franken für neue Fenster im Gallusschulhaus an der Moosbruggstrasse. Das Darlehen von 500’000 Franken an den Verein zur Herausgabe des Katholischen Kirchengesangsbuches der Schweiz, hätte Kollegienrat Andreas Büsser, St.Gallen, gerne auf 800’000 Franken erhöht gesehen. Das Parlament folgte jedoch dem Antrag des Administrationsrats.
Unterstützung bei energetischen Gebäudeinvestitionen
Erfolg hatten Kollegienrätin Brigitte Frei, Region Rheintal, und ihre Mitunterzeichnenden mit der Motion, die eine Ergänzung im Dekret über den Finanzausgleich vorsieht. Demnach sollen alle Kirchgemeinden bei energetischen Gebäudeinvestitionen sowie Solar- und Photovoltaikanlagen zwingend finanziell unterstützt werden – und dies zusätzlich zum ordentlichen Investitionsbeitrag. Die finanzielle Lage der einzelnen Kirchgemeinde kann dabei berücksichtigt werden.
Die von den Kollegienrätinnen Esther Granitzer und Agnes Haag, beide St.Gallen, lancierte Interpellation, mit Fragen zum Kirchenimage und zu dessen Verbesserung, beantwortete der Administrationsratspräsident ausführlich. Zu guter Letzt nahm er auch die Anwesenden in die Pflicht: «Kirche lebt von Menschen.» Von daher könnten alle zu diesem Image beitragen und auch als Multiplikatoren der Angebote wirken.
Text und Bilder: Roger Fuchs