Fiktiver Katastrophenfall: Mit vereinten Kräften die Sicherung von Kulturgütern üben
Donnerstag, 19. September 2024Im Ereignisfall hat die Rettung von Menschenleben oberste Priorität – in einem nachgelagerten Schritt geht es an einem historischen Ort wie dem Stiftsbezirk St.Gallen aber auch darum, Kulturgüter aus der Gefahrenzone zu holen. Solches geschieht im besten Fall in engem Zusammenspiel von Zivilschutz, Restauratoren und Eigentümern. Genau dieses Miteinander wurde am 19. September 2024 geübt. Der Leiter der nationalen Fachgruppe Kulturgüterschutz vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz verfolgte das Geschehen vor Ort.
Zivilschützer helfen bei der Sicherung von Kulturgut. Bild: Roger Fuchs
Es brennt – gottseidank nur fiktiv – im Bischofsflügel des Stiftsbezirks. Die Feuerwehr ist schnell vor Ort, löscht und gibt schliesslich das als sicher geltende Gebäude wieder frei. Wasser und Rauch haben sich verteilt. «Jetzt geht es darum, die Kulturgüter in den verschiedenen Räumen zu retten», sagt Silvio Frigg, Sicherheitsbeauftragter der Stiftsbibliothek St.Gallen und seines Zeichens auch Zugführer des Kulturgüterschutzes der Regionalen Zivilschutzorganisation St.Gallen-Bodensee.
Damit das Zusammenspiel der beteiligten Partner bei der Sicherung von Kulturgütern im Ernstfall auch funktioniert, wird dieses trainiert. Und so findet sich im Bischofshof ein Einsatzzentrum, wo alle Fäden zusammenlaufen und die notwendigen Absprachen angesichts des imaginären Notfalls stattfinden.
Nebst Angehörigen des Kulturgüterschutzes sind auch Leute aus dem Notfallverbund, einem Zusammenschluss von Bibliotheken, Archiven und Museen, vor Ort. Dazu mehrere Restauratoren, Materialspezialisten und eine Führungsunterstützung. Marcus Jacob, Leiter der Fachgruppe Kulturgüterschutz beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz, macht sich derweil fleissig Notizen. «Wir kontrollieren nicht, sondern beobachten. Wir sind froh, dass St.Gallen soweit fortgeschritten ist und für Einsätze im Bereich Kulturgüterschutz ausgerüstet ist», sagt Jacob. Die Erfahrungen wolle man bündeln und auch den anderen Kantonen zur Verfügung stellen.
Geübt wird mit Gegenständen aus der Brocki
Immer wieder sieht man Beteiligte der Übung mit Kisten aus den Gebäuden herauskommen. Auch einzelne Gegenstände tragen sie mit sich. «Natürlich üben wir nicht mit den originalen Kulturgütern, sondern mit Gegenständen aus dem Brockenhaus und von unseren Partner-Institutionen» sagt Silvio Frigg. «Alles in allem sind knapp 50 Beteiligte im Einsatz.»
Anders als die Feuerwehr, die so schnell wie möglich einen Brand unter Kontrolle bringen sollte, hat man zur Rettung von Kulturgütern gemäss Frigg ein Zeitfenster von ein bis zwei Tagen. «Wir können die Kulturgüter also geordnet aus dem Gebäude holen.» Würde man diese einfach drin lassen, bestünde Gefahr, dass sie beispielsweise bei Nässe Schimmel ansetzen.
Grossen Wert legt Silvio Frigg bei der aktuellen Übung auf ein digitales Objektnachverfolgungssystem, das man etablieren will. Hierbei geht es darum, dass sämtliche Schritte bei der Rettung eines Kulturguts jederzeit nachvollzogen werden können. Also beispielsweise der Entscheid, weshalb ein Kulturgut in der Kiste mit nassen Kulturgütern landete und nicht in jener mit Russ. Auch der Weitertransport ins Zwischendepot oder später in ein Notdepot sollen nachvollziehbar bleiben.
Mit Übung Leistungsziele überprüfen
Für Silvio Frigg steht ausser Frage, dass die Zuständigen an einem Ort wie dem Stiftsbezirk St.Gallen eine grosse Verantwortung gegenüber den Kulturgütern haben und alles tun müssen, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Das verlange auch ein völkerrechtliches Abkommen. Die laufende Übung soll deshalb zeigen, ob man die Leistungsziele einhalten kann. Dazu gehört, dass kein zusätzlicher Schaden an den Kulturgütern entsteht, dass Ordnung bewahrt wird und auch bei einem Schadens- oder Notfall eine sichere Situation für die Kulturgüter geschaffen werden kann.
Text und Bilder: Roger Fuchs