Unikate im Fokus der Winterausstellung «Nur Du!» in der Stiftsbibliothek

Dienstag, 14. November 2023

Aus Originalen können heutzutage innert Sekunden Kopien erstellt werden. Die Stiftsbibliothek St.Gallen hingegen ist im Besitz unzähliger Unikate in Form von Handschriften. Viel Einmaliges ist auch unscheinbar, etwa ein persönlicher Brief oder ein Gekritzel am Seitenrand. Zeugnisse, die auf ihre Art und Weise einmalig sind, stehen im Zentrum der Winterausstellung in der Stiftsbibliothek St.Gallen vom 14. November 2023 bis 21. April 2024. Diese trägt den Titel «Nur Du! Einmaliges in der Stiftsbibliothek».

Barocksaal1 Quer Stiftsbibliothek Stgallen

«In unserer Gegenwart lohnt es sich, darüber nachzudenken, was ein Original ist und was einmalig ist», sagt Cornel Dora, Stiftsbibliothekar. Die Ausstellung «Nur Du! Einmaliges in der Stiftsbibliothek» wirft deshalb ein Licht auf verschiedene Handschriften- und Texttypen, angefangen mit persönlichen Kritzeleien auf einem Vorsatzblatt eines Buchs bis zu europaweit bedeutenden, nur einmal überlieferten Textzeugen. Besonders wertvoll sind Handschriften, wenn sie die älteste, die beste oder sogar die einzige Überlieferung eines wichtigen Werks enthalten.

Europaweit einmalige Texte

Zu Letzteren gehört das Aachener Karlsepos, überliefert in einer Handschrift der Zentralbibliothek Zürich, die seit 2006 wieder in ihrer Bibliotheksheimat in St.Gallen liegt. Dieses Epos überliefert singulär wesentliche Aspekte der Vorgeschichte zur Kaiserkrönung Karls des Grossen an Weihnachten 800, die zu den prägendsten Ereignissen der europäischen Geschichte zählt. «Hier wird Karl der Grosse erstmals als Vater Europas bezeichnet», sagt Dora. Eine ebenso wichtige Einzigüberlieferung ist die älteste Lebensbeschreibung Papst Gregors des Grossen, die zu Beginn des 8. Jahrhunderts im Kloster Whitby in Nordengland zusammengestellt wurde. Es ist die erste Biografie, die in England je geschrieben wurde.

Von St.Gallen durchdrungen

Wie keine andere ist die Sammlung der Stiftsbibliothek vom Skriptorium und dem kulturellen Schaffen der eigenen Mönche durchdrungen, das zeitweise europaweit ausstrahlte. Naturgemäss sind die weit verbreiteten Texte vielfach überliefert, aber es gibt auch Trouvaillen, zum Beispiel eine Rede vom St.Galler Mönch Winithar, die er wohl um 760 an den Konvent richtete. Winithar ist der erste namentlich bekannte Autor aus dem Bodenseeraum.

Berührendes Zeugnis der Frauengeschichte

Berührend und einzigartig ist eine in den 1430er-Jahren entstandene Zeichnung einer unbekannten Inklusin in St.Georgen mit ihren beiden Helferinnen Klara und Agnes. Sie wurde von unbeholfener Hand auf einem Buchdeckel angebracht, zusammen mit erklärenden, aber kaum leserlichen Erläuterungen. Solche Zeugnisse aus der einfachen Bevölkerung, ins besondere auch von Frauen, sind sehr selten und entsprechend wertvoll.

«Nur Du!» nimmt schliesslich auch Bezug auf das einzigartige Ambiente des Barocksaals mit seinen zwei Globen – dem St. Galler Globus aus dem 16. Jahrhundert und der Replik des Notkerglobus aus der Zeit um das Jahr 1000. Beide sind Replik und Original zugleich.


Ausstellung Besuchszeiten
Winterausstellung, 14. November 2023 bis 21. April 2024, täglich 10–17 Uhr (ausser 24./25. Dezember)

Ausstellungskatalog
Zur Ausstellung ist ein reich bebildeter Katalog erschienen, herausgegeben von Cornel Dora, mit Beiträgen von Cornel Dora, Philipp Lenz, Franziska Schnoor und Ruth Wiederkehr. Link zum Katalog.

Veranstaltungsprogramm
Ergänzend zur Ausstellung führt die Stiftsbibliothek ein reichhaltiges Programm durch mit Vorträgen, Führungen, Handschriftenpräsentationen, Lesungen, Konzerten und Tagungen. Mehr dazu im Veranstaltungsprogramm.

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