Kirchengesang soll digital werden – inklusive einer App für die Mitfeiernden

Montag, 12. Dezember 2022

Das seit 1998 in katholischen Gottesdiensten genutzte, blaue Kirchengesangsbuch hat seine besten Jahre hinter sich. Jetzt soll es durch ein komplett neues Angebot ersetzt werden: Nebst einem schlankeren Buch sollen Pfarreien künftig ihr Wunsch-Liederrepertoire individuell auf einer Plattform digital zusammenstellen können. Auch eine App für Gottesdienstbesuchende ist angedacht.

Der Kulturmanagerin, Schulleiterin und Kirchenmusikerin Sandra Rupp Fischer obliegt die Projektleitung für die Nachfolgeprodukte zum heutigen blauen Kirchengesangsbuch.

Das heutige Kirchengesangsbuch reisst niemanden mehr vom Hocker. «Man hat es einfach, schaut aber nicht mehr speziell hin», sagt Sandra Rupp Fischer. Die 51-jährige Kulturmanagerin, Schulleiterin und Kirchenmusikerin, die noch bis Ende Jahr auch für das Liturgische Institut in Freiburg arbeitet, leitet zusammen mit Abt Urban Federer vom Kloster Einsiedeln die Arbeitsgruppe, die sich mit einem neuen Kirchengesangsbuch für die Deutschschweiz befasst. Wobei der Begriff Kirchengesangsbuch missverständlich sei, wie sie festhält. «Wir wollen künftig ein viel breiteres Angebot.» Demnach ist vorgesehen, bis 2027 nebst einem schlankeren Kirchengesangsbuch eine digitale Plattform mit einem Printshop aufzubauen. Komplett neue, ergänzende Lieder und bisherige, die im überarbeiteten Kirchengesangsbuch keinen Platz mehr haben werden, will man über diese Plattform zum Download anbieten. Pfarreien sollen hier ihre Wunschlieder aussuchen und individualisierte Anhänge generieren können.

Auch digitale Arbeitstools zur Gottesdienstvorbereitung sind gemäss Projektleiterin Sandra Rupp Fischer geplant. Alle an einer Feier Mitwirkenden – Seelsorger/innen, Kirchenmusiker/innen, Katechet/innen, Mesmer/innen – hätten sodann Zugriff zu einem entsprechenden Onlineformular und könnten gemeinsam am Gottesdienstprogramm arbeiten. Schliesslich könnte man mittels eines Filtersystems den Ablauf des Gottesdienstes den Mitfeiernden über eine App zur Verfügung stellen. «In der App sollen die Anwesenden dann ihren besuchten Gottesdienst anklicken können, und sie sehen dabei zum Beispiel den Gottesdienstablauf oder die Lieder», fasst Sandra Rupp Fischer die Vision zusammen. Möglich wäre ebenso, dass die Pfarreien die Lieder stattdessen an eine Wand beamen.

Grünes Licht für die multimediale Stossrichtung

Vor Kurzem hat die Deutschschweizerische Ordinarienkonferenz (DOK) – der Zusammenschluss der Bischöfe, Weihbischöfe, ihrer Stellvertreter/innen sowie Abt Urban vom Kloster Einsiedeln – der Arbeitsgruppe grünes Licht gegeben, an der beabsichtigten Stossrichtung mit dem Produktemix aus Print, Web und App weiterzuarbeiten. Damit würden Erneuerungen und Entwicklungen von pastoralen Bedürfnissen durch die Möglichkeiten der Digitalisierung aufgenommen, heisst es in einem Zwischenbericht. Sandra Rupp Fischer selbst spricht beim Projekt von einer ausschliesslich positiven Ausstrahlung für die Kirche. «Damit können wir zeigen, dass wir die Kirche nicht aufgeben, dass wir die erschwerten Bedingungen ernst nehmen und daher neue Produkte konzipieren, und dass wir auf die Kraft unserer Gottesdienste setzen.»

Die grosse Frage wird sein, ob sich das Projekt im geplanten Umfang finanzieren lässt. Mittels umfassender Informationen im kommenden Jahr gegenüber den kantonalkirchlichen Organisationen hofft man auf verbindliche finanzielle Zusagen. Sandra Rupp Fischer meint zugleich, dass gemäss erster Hochrechnung dereinst über Verkäufe der neuen Produkte 70 bis 75 Prozent der Ausgaben wieder eingenommen werden können.

Beim Katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen ist man bereits heute von den Plänen überzeugt. Der Prozess sei zukunftsgerichtet und das neue, hybride Produkt werde das kirchliche Zusammenleben sowie das kraftvolle Gottesdienstfeiern in herausfordernden Zeiten stärken, heisst es seitens des Administrationsrats.

Inhalt der Lieder überprüfen

In verschiedenen Kommissionen werden die Ideen in den nächsten Monaten verfeinert. Während eine Fachgruppe Experimente neue Elemente erproben soll, wird sich die Redaktionsgruppe den Inhalten der Lieder annehmen. Ein Gloria, Credo oder Sanctus dürften dabei kaum gross umgeschrieben werden. Gemäss Sandra Rupp Fischer gibt es aber viele Lieder mit poetischen Texten, die Bezug zu einem Psalm oder Bibeltext haben. An diesen könne man durchaus sprachlich arbeiten.

Auch soll das Liedrepertoire der Zukunft dem Umstand gerecht werden, dass sie von kleineren Gemeinschaften gut gesungen werden können. Einfache, nachsingbare Muster will man hierzu berücksichtigen. Die Gläubigen sollen einen guten Zugang zu den Gesängen bekommen. «Bei bekannten Liedern wie beispielsweise dem Stille Nacht, an dem die Menschen hängen, werden wir aber bestimmt kein Erdbeben verursachen», sagt die Projektleiterin und weist zudem auf die Möglichkeit hin, dass man die erwähnte Digitalplattform künftig auch mit Audiodateien bestücken könnte, sodass die Menschen die Lieder zu Hause üben können.

Artikel / Bilder: Roger Fuchs

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